Montag, 12. November 2012

Die Sache Makropulos - Goethetheater Bremen

Die Oper begann mit Tragik einer besonders realen Art: Patricia Andress, die Sängerin der Emilia Marty, brach sich zwei Wochen vor der Premiere bei einem Unfall das rechte Knie und den linken Fuß – und bekam in Folge einen Rollstuhl verpasst. Von einer Umbesetzung sah das Produktionsteam dennoch ab und so kam es zu einem unfreiwilligen, aber durchaus passenden, Regieentwurf. Passend deshalb, weil der Rollstuhl die innere Hinderung, die Lähmung der über 300 Jahre alten jungen Schönheit radikal ausdrückt.

Insgesamt war die Inszenierung (Regie: Anna-Sophie Mahler - Ausstattung: Katrin Connan, Sophie Krayer) sehr schlicht und setzte auf starke, konzentrierte Bilder: Das Anfangsbild, in dem Emilia reglos und allein auf völlig leerer Bühne „stand“, war in ein düsteres grau-grünliches Licht getaucht und suggerierte Endlosigkeit. Tod. Und vor allem die Leere, die in der Sinnlosigkeit eines unbegrenzten Lebens alles Leben im Keim erstickt: „Siehst du, die Kunst hat einen Sinn, solange der Mensch sie nicht beherrscht. Erst wenn er sie beherrscht, wenn er sie perfekt beherrscht, sieht er, dass sie überflüssig ist. Das ist genauso nichtig, Kristinka, genauso nichtig wie das Schnarchen. Singen ist das gleiche wie schweigen. Alles ist gleich. Es gibt keine Unterschiede.“ (aus dem Libretto)

Die Handlung begann: Ein Vorhang wurde aufgezogen. Spots an. Und Aktion. Für Emilia war das Leben nur noch eine Rolle, die sie alle paar Jahre änderte. Sie spielte immer sich selbst – und war dennoch längst nicht mehr als ein Hirngespinst. Innerlich tot.

Dennoch. Auch wenn das Regiekonzept durchaus durchdacht und einiges an Ausdruck zu bieten hatte, verstrichen viele Momente, in denen der Handlung keine zusätzliche unterstreichende Wirkung gegeben werden konnte. Die Personenregie setzte insgesamt vor allem auf Distanz - was durchaus ins Konzept passte, aber es ließ einige Passagen etwas langatmig wirken und verlieh weder der Musik noch der Handlung nennenswerte Konturen.

Ein absolutes No-Go für mich war die Übersetzung des Librettos aus dem Tschechischen ins Deutsche. Das hat nix mit Borniertheit zu tun – hoffe ich jedenfalls. Doch meines Erachtens hat jede Sprache eine eigene Melodie, die sich schwer bis gar nicht in einer anderen abbilden lässt. Und so klingen für mich Libretto-Übersetzungen immer irgendwie fehlplatziert und aufgepresst - bisweilen sogar ausdruckslos.

Der Abend konnte insgesamt hauptsächlich musikalisch punkten – und tat dies auch: Absolutes Highlight war das Dirigat von Clemens Heil! Er verstand es die gleißende, bohrende, hektische Musik Janáčeks mit poetischem Tiefgang zu versehen. Patricia Andress sang die Rolle der Emilia Marty äußerst eindringlich. Gen Ende sang sie zudem die brennende Sehnsucht nach Leben durch den Tod hochemotional. Insgesamt konnte die Sängerriege durch und durch punkten. Heiko Brönner sang die Rolle des Albert Gregor sehr durchdacht. Äußerst tiefenintensiv gestaltete Martin Kronthaler seinen Jaroslav Prus. Und auch Christian-Andreas Engelhardt (Vitek), Lusine Ghazaryan (Christa), Hyojong Kim (Janek) und Loren Lang (Kolenatý) rundeten die rundum gute Besetzung ab.

Fazit: Hingehen! Allein schon wegen der Oper an sich. Leoš Janáčeks Opern gehören sowohl musikalisch, als auch in Bezug auf die Handlung zu meinen absoluten Favoriten!

1 Kommentar:

  1. Teile vor allem deine Einschätzung bezüglich der Übersetzung. Beim Schlauen Füchslein war dies besonders nachdrücklich zu spüren. Gerade Janácek, der ja Geräusche komponierte und die menschliche Sprache in terms of music verstand, ist Übersetzung der Tod der Melodie.
    Dennoch war ich von der Aufführung sehr angetan. Und die Andress war 'ne Wucht.

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